Das Mitarbeitergespräch 4.0
„Dieses Ziel konnten wir nicht mehr verfolgen, weil sich die Prioritäten im Laufe des Jahres völlig verschoben haben. Projekt XY war plötzlich viel wichtiger.“
„Damals wussten wir nicht, was alles auf uns zukommt. Sonst hätten wir andere Ziele vereinbart“
„Im Standortgespräch zur Jahresmitte haben wir schon vieles angepasst – und doch war es zu wenig“
Kennen Sie Sätze wie diese aus Ihren Mitarbeitergesprächen? Viele Führungskräfte mit denen ich spreche berichten mir von ähnlichen Begebenheiten. Die Dinge ändern sich im Laufe des Jahres. Die Zielvereinbarungen werden oft obsolet.
„Einmal haben meine Mitarbeiterin und ich darüber gelacht, wie wir uns das Arbeitsjahr im 1. Quartal vorgestellt und verplant haben. Alles – aber auch wirklich alles hat sich verändert.“
Ist es Ihnen auch schon einmal so ergangen? Dann sind Sie hier genau richtig.
Die VUKA-Welt verlangt mehr Flexibilität!
Die VUKA Welt ist gekennzeichnet durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. Das Marktumfeld ändert sich, die Kundenbedürfnisse variieren, rasches Agieren wird überlebenswichtig. Pläne und Prognosen werden ständig adjustiert und neu ausgerichtet, weil immer neue Aspekte zu berücksichtigen sind. Die Zeit ist schneller geworden. Agilität geht vor, Stabilität bleibt aus.
Das Führungsinstrument „Mitarbeitergespräch“ funktioniert in der VUKA-Welt suboptimal. Mehr und mehr Komponenten ändern sich im Jahresablauf, die Ziele und Vorgaben müssen laufend adjustiert werden. Gerade unter VUKA-Bedingungen brauchen Mitarbeiter aber Vorgaben, an denen Sie sich ausrichten können. Sie suchen vermehrt das Gespräch mit der Führungskraft, damit die Unsicherheit abnimmt. Welche Möglichkeiten gibt es, das Mitarbeitergespräch an die VUKA-Welt anzupassen?
VUKA-konforme Elemente im Mitarbeitergespräch
Regelmäßige 4-Augen-Gespräche mit den MitarbeiterInnen sind enorm wichtig. Damit das Mitarbeitergespräch seine Funktionen in Bezug auf Führung, Motivation und Feedback weiterhin optimal erfüllen kann, können Sie einige VUKA-konforme Anpassungen vornehmen.
Anpassungen im Inhalt
- Orientieren Sie sich an agilen Methoden. Arbeiten Sie mit Fernzielen und nächsten Schritten. Das Fernziel gibt die Richtung vor, einen wünschenswerten Zustand in der Zukunft, ist aber wenig konkret. Genau definiert werden die nächsten kleinen Schritte, die auf dem Weg zum Fernziel zu machen sind. Also klären Sie zuerst „wo will ich hin?“ und legen Sie damit die Richtung fest. Vereinbaren Sie dann die nächsten Schritte mit der Frage: „was muss ich tun um dorthin zu kommen und wie kann ich das messen.“ Die Fernziele sind ambitioniert, aber nicht konkret. Sie geben eine klare Richtung vor und das ohne Einschränkung! Die nächsten Schritte sind die nötigen Ergebnisse in Richtung Ziel. Sie sind messbar und klar beziffert (z. B. mit Prozentangaben 0 bis 100%).
- Transparenz: das Unternehmensziel und daraus abgeleitete Subziele und Richtungen, in die sich einzelne oder Teams entwickeln und bewegen sollen sind für alle transparent. Auch die Fortschritte werden allen zugänglich gemacht. Innerhalb eines Teams soll jeder wissen, wer wofür zuständig ist. Auch hier kann man Anleihen von agilen Methoden nehmen, z. B. ein Board einrichten, auf dem die Richtungen und Subziele aufgetragen werden. Regelmäßig kann so der Fortschritt auf dem Weg zum Fernziel transparent gemacht werden.
Anpassungen im Zeitrahmen
- Deutlich kürzere Zyklen sind nötig. Klassische Mitarbeitergespräche finden einmal jährlich statt, mit einem Standortgespräch zur Jahresmitte. Die Ziele sollen üblicherweise auch in diesem Zeitrahmen erfüllt werden. In der VUKA Welt ist es zielführend kürzere Intervalle anzuwenden. Alle 2 bis 3 Monate sollte ein Gespräch zwischen MitarbeiterIn und Führungskraft stattfinden. Dort geht es zuerst um eine Retrospektive (wie weit sind wir gekommen, was läuft gut, was weniger) und dann wieder um den Blick nach vorne: Wohin wollen wir von hier aus. Was sind die nächsten konkreten Schritte.
Anpassungen im Zweck
- Entwicklung statt Beurteilung: Sehen Sie jedes Gespräch als Möglichkeit zur Entwicklung. Fragen Sie immer nach, was gut gelaufen ist, was weniger gut gelaufen ist. Was Ihre MitarbeiterInnen brauchen, damit die Dinge rund laufen. Das beinhaltet nicht nur Arbeitsmittel und Ressourcen sondern auch nötige Kompetenzen die entwickelt werden müssen.
- Konzentration auf die Lösung: Fragen Sie nicht warum, sondern richten Sie den Blick immer nach vorne. Was können wir tun, damit und der nächste Schritt gelingt.
- Zielerreichung statt Bewertung: Das Gespräch ist nicht die Zeugnisverteilung, in der Sie den MitabeiterInnen sagen, wie zufrieden sie mit ihnen sind. Es geht um das Ziel, das sie gemeinsam erreichen möchten. Konstruktives Feedback beinhaltet Lob und Tadel. Formulieren Sie wertschätzend, in Ich-Botschaften und Wünschen, dann kann das Gegenüber etwas damit anfangen.
Anpassungen in den Konsequenzen
- Negative Zielerreichung wird nicht sanktioniert sondern als Möglichkeit zur Verbesserung gesehen. Was müssen wir nächstes Mal anders machen? Etablieren Sie eine konstruktive Fehlerkultur. Unter VUKA-Bedingungen müssen Fehler erlaubt sein, nur so entstehen neue innovative Ideen!
Sie erreichen einiges!
Je mehr agile Elemente Sie in die Mitarbeitergespräche einbauen, desto besser. Sie erzielen damit viele positive Effekte. Die wichtigsten davon sind folgende:
- Sie passen die Frequenz der Mitarbeitergespräche der Dynamik des Umfeldes an
- Sie verbinden die Mitarbeiter mit dem Unternehmenszweck. Durch die gemeinsamen Fernziele und die hohe Transparenz weiß jeder/jede genau, welchen Beitrag er/sie zu leisten vermag. Der Blick für das Big Picture wird geschärft. Das gibt Motivation!
- Sie können Adaptionen vornehmen, sind agil und agieren wenn es erforderlich ist.
- Besonders jüngere MitarbeiterInnen brauchen mehr Feedback, die kürzeren Intervalle bieten sich dafür an.
Entscheiden Sie selbst, welche agilen Elemente Sie ausprobieren möchten und starten Sie mit dem Mitarbeitergespräch 4.0 am besten gleich!
Gutes Gelingen!
Erika Karitnig