Wie gehen Sie mit dem „Schwierigen“ im Büro um?

„Der schon wieder“

In jedem Teamseminar, Führungskräftetraining oder Coaching gibt es eine Frage, bei der ausnahmslos alle Teilnehmer nicken: „Haben Sie jemandem im Team oder in der Abteilung, mit dem Sie so gar nicht zurechtkommen und der Ihnen Probleme macht – einen Schwierigen eben?“

Egal ob Top-Management,  Personalverantwortliche, Selbständige oder Gruppen- und Teammitglieder  –  jeder weiß, was gemeint ist und hat sogleich das Bild einer bestimmten Person vor Augen.

Viele haben Monate und Jahre damit zugebracht, sich „den Schwierigen“ zurechtzubiegen, haben Vieles versucht und am Ende oft wenig erreicht. Manche haben frustriert aufgegeben. „Es war einfach nicht möglich mit ihm zusammenzuarbeiten. Er hat mich nicht respektiert und ich musste handeln. Er konnte sich einfach nicht ins Team einfügen.”

In jeder Branche, in jedem Unternehmen gibt es zumindest ein Teammitglied, das solche und ähnliche Reaktionen heraufbeschwört. Das ist nicht nur ärgerlich, es bindet auch Ressourcen, mindert den Teamerfolg und die Produktivität und vermiest Ihnen so manchen Arbeitstag.

Was kann man da tun? Ich stelle Ihnen ein 4-Punkte-Programm vor, das Sie ausprobieren können, bevor Sie den Schwierigen aufgeben. Es hat schon oft dabei geholfen, lose Glieder in die Kette zu integrieren.

Das 4-Punkte-Programm zum Umgang mit „dem Schwierigen“

Punkt 1: Gehen Sie der Sache auf den Grund

Menschen sind nicht von Geburt an schwierig und meist auch nicht zum Zeitpunkt der Einstellung. Problematisches Verhalten hat bestimmte Gründe und ist im Laufe der Zeit entstanden. Sie können davon ausgehen, dass jeder Mitarbeiter einmal ausgewählt und eingestellt wurde, weil er bestimmte Fähigkeiten besitzt, Kenntnisse und Kompetenzen vorweisen kann, die in Ihrem Unternehmen wertvoll sind. Woran kann es liegen, dass der Schwierige heute nur noch verhindert und stört und sich nicht mehr konstruktiv einbringt, wie Sie es eigentlich erwartet haben?

Gab es möglicherweise Veränderungen in den Zuständigkeiten, hat sich der Verantwortungsbereich geändert, gibt es Probleme mit der Work-Life-Balance oder im Privatleben? Die beste Methode um der Sache auf den Grund zu gehen, ist ein offenes Gespräch unter 4 Augen. Stellen Sie dabei Fragen wie z. B.

Wie siehst Du Deine aktuelle Rolle im Team / in der Abteilung?

Was waren für Dich die 3 größten Veränderungen in den letzten Monaten?

            Was davon hast Du positiv wahrgenommen?

            Was davon hast Du negativ wahrgenommen?

Wie hast Du auf die Veränderung reagiert?

Wie hast Du mich und meine Rolle in dieser Zeit wahrgenommen?

Was wäre nützlich/hilfreich für Dich, um mit der Veränderung besser/anders umzugehen?

Was könnten wir aus Deiner Sicht tun, um die Situation zu verbessern?

Zeigen Sie Interesse an der Person, seien Sie neugierig, offen und verständnisvoll. Sie werden spätestens beim 2. offenen Gespräch einige Anhaltspunkte herauskitzeln, die Ihnen Aufschluss über die Gründe für das Verhalten des Schwierigen geben. Jeder Mensch will gesehen werden. Geben Sie dem Schwierigen die Gelegenheit dazu.

 

Punkt 2: Vertrauen wiederherstellen

Es gehört zu Ihren Aufgaben als Führungskraft oder Teammitglied für Vertrauen zu sorgen. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran und bauen Sie Vertrauen auf: das ist die Basis für Respekt und gute Zusammenarbeit. Aber Vertrauen kann nicht verordnet werden. Man muss es Schritt für Schritt aufbauen.

Konkret heißt das: Halten Sie sich an alle Vereinbarungen, die im Team getroffen werden. Tun Sie immer, was Sie angekündigt haben. Seien Sie verlässlich dann wird man sich auf Sie verlassen. Das gleiche können Sie von allen anderen Teammitgliedern erwarten. Gehen Sie konsequent und ohne Ausnahme mit gutem Beispiel voran. Agieren Sie offen, ehrlich und transparent und erklären Sie, warum Sie so handeln wie Sie handeln. Insbesondere in Situationen, in denen es unangenehm ist.

 

Punkt 3: Positives Feedback und Wertschätzung

Die Arbeit am Vertrauen können Sie durch positives Feedback und Wertschätzung verstärken. Schauen Sie speziell auf die Bereiche, in denen der Schwierige sich bemüht oder verbessert hat und streichen Sie das hervor: nehmen Sie es wahr, sprechen Sie es an – am besten vor allen anderen Teammitgliedern. Damit schenken Sie dem Schwierigen Vertrauen und werden indirekt andere dazu veranlassen dasselbe zu tun. Legen Sie den Fokus auf das Positive und die Verbesserung.

Es ist wichtig, dass jedes Teammitglied weiß, dass es einen wesentlichen Teil des Teamerfolgs ausmacht. Jeder hat seine Rolle und seinen Anteil und jeder bringt Unterschiedliches ein. Der Schwierige wird sich über das Herausstreichen seiner Relevanz besonders freuen und sich selbst mehr zu schätzen wissen. Das Tolle ist: Respekt und Wertschätzung sind reziprok. Wenn Sie jemanden wertschätzend und respektvoll behandeln, wird sich nicht nur seine Meinung über Sie ändern sondern auch sein Verhalten. 

 

Punkt 4: Perspektivenwechsel

Nehmen Sie die Perspektive des Schwierigen ein und ergründen Sie, wofür sein Verhalten nützlich sein kann. Schätzen Sie diesen Beitrag – auch wenn er Ihnen auf den ersten Blick mühsam oder problematisch erscheint. Hinter jedem Verhalten kann ein Zweck verborgen sein, der dem Gesamtziel dienlich ist. Möglicherweise hat der Schwierige eine Funktion, die nicht gleich sichtbar ist.

Wenn Sie es schaffen, den Schwierigen als wichtigen Teil des Teams und wertvolle Ressource zu betrachten, dann wird der Umgang mit dem Schwierigen anders sein. Versuchen Sie ihm aufgrund Ihrer Analyse eine neue Rolle zu geben: Sehen Sie Ihn nicht mehr als den Schwierigen sondern als ganz normalen Menschen mit Stärken und Schwächen. Beurteilen Sie nur sein Verhalten als schwierig, nicht die ganze Person. Im Bestfall schaffen Sie es, das Verhalten nicht mehr als „schwierig“ zu sehen sondern umzudeuten: der Kollege verhält sich bewahrend, vorsichtig, kritisch, herausfordernd oder ähnliches. Wenn Sie es schaffen, Ihre Meinung zu ihm in diese Richtung zu adaptieren, werden Sie sich der Person gegenüber automatisch anders verhalten. Und sie wird wiederum auf das geänderte Verhalten reagieren. Sie kreieren eine positive Spirale nach oben, bei der beide gewinnen!

 

 

Wie lange dauert das Ganze, wann stellt sich Erfolg ein?

Es braucht oft viel Geduld und die Früchte des vertrauensbildenden Prozesses werden nicht gleich sichtbar. Manchmal sind mehrere Anläufe notwendig, bis sich eine spürbare Veränderung im Verhalten bemerkbar macht. Bleiben Sie dran, geben Sie den Kollegen nicht auf, zeigen Sie Geduld und geben Sie ihm so viel Vorschuss an Vertrauen, wie nötig ist. Leicht ist das nicht immer – im Gegenteil. Ich kenne Fälle, in denen der Prozess ein ganzes Jahr lang gedauert hat und immer wieder ins Stocken geraten ist. Aber ich kann Ihnen versichern: in den allermeisten Fällen lohnt sich das und sie bekommen es am Ende mehr als doppelt zurück.

Gutes Gelingen und vereinbaren Sie gleich morgen einen Termin für ein Gespräch mit „dem Schwierigen“, es lohnt sich genauer hinzuschauen!

Erika Karitnig